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Bologna-Salat, Universitätsdressing und etwas Salz bitte!

Veröffentlicht: Oktober 15, 2010 von oehbv in Hintergrundinfos

 

Vom Gemüsegarten der verschiedenen Interessen, dem universitären Begriffssalat und der Kompostierung von Mitbestimmung und freiem Hochschulzugang

 

Die Protestwelle im Herbst und Winter 2009 dürfte wohl kaum jemensch in Österreich entgangen sein. Die großen Schlagworte, die dann in ebenso großer verschriftlichter Form auf Transparenten durch diverse Innenstädte getragen wurden und in teilweise noch größerer Form auf den Titelseiten der meisten Printmedien prangten, waren – ohne Anspruch auf Vollständigkeit –: „Bologna Burns“, „Bildung statt Ausbildung“, „Geld für Bildung statt für Banken“, „Wessen Uni? Unsere Uni!“ und so weiter und so fort. Trotz aller Plakativität drücken diese Slogans wenigstens zwei Aspekte der damaligen, und wohl auch heutigen, Stimmung aus. Zum einen Unzufriedenheit und Empörung über die Umstände und zum anderen eine gewisse Diffusität in der Frage „gegen wen?“ und „für was?“ demonstriert und besetzt wird.

Diese Ambivalenz klärt sich zumindest ein wenig auf, wenn frau/man versucht, den Ursachen, die letztendlich zur jetzigen Unzufriedenheit geführt haben, nachzugehen. Angewendet auf die eingangs erwähnten Slogans lassen sich mindestens drei größere Themenkörbe finden.

 

„Bologna burns“

Der Bologna-Prozess bezeichnet das völkerrechtlich nicht bindende Vorhaben fast aller europäischen Staaten bis 2010 einen einheitlichen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Seinen Namen verdankt er der italienischen Stadt Bologna – die ausdrücklich nichts dafür kann – in der 1999 dieses Abkommen geschlossen wurde. Die drei Hauptziele Mobilität, internationale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit klingen auch zunächst durchaus wünschenswert. Besonders dann, wenn bedacht wird, dass die gegenseitige Anrechnung von Studienabschlüssen und -leistungen zuvor ein etwas anstrengendes und nicht immer erfolgreiches Unterfangen war. Die wirkliche Umsetzung des Bologna-Prozesses (nicht nur) in Österreich steht allerdings auf einem anderen Blatt: Einführung der dreistufigen Abschlüsse (Bachelor, Master, PhD) ohne jegliche Rücksicht auf lokale Gegebenheiten, unkoordinierte und oft genug sinnfreie Vergabe von ECTS-Punkten, Einschränkung bzw. Verbot von selbstbestimmten universitärem Wissenserwerb und die gesetzlich sanktionierte Beschränkung von Studienleistungen auf den Wert am Arbeitsmarkt unter dem Stichwort der „employability“. Dies sind nur einige der Aspekte, die bei der Implementierung der Reformen in Österreich falsch gelaufen sind und die von den StudentInnen und Lehrenden an den Universitäten nun tagtäglich aufs neue ausgebadet werden müssen. Was in diesem Kontext ebenfalls mitgedacht werden muss, ist der Hintergrund von „Bildung statt Ausbildung“. Freie und selbstbestimmte Studiengestaltung (siehe den Text zu den Erweiterungscurricula im Studienleitfaden), unorthodoxe und marginalisierte Wissensbereiche wie etwa frauen- und geschlechterspezifische Themen oder kritische Ökonomie wurden auf dem Wege der Studienplanumstellungen ebenso entsorgt wie der Anspruch, dass die Vertiefung von einzelnen Aspekten und ein umfassendes (böse Zungen würden sagen, interdisziplinäres) Wissen wichtiger ist, als ein auf Marktfähigkeit und Masterstudien getrimmtes FachidiotInnentum. Nebenbei wurde mit der dreistufigen Studienorganisation – Bachelor, Master, PhD – die Möglichkeit, Zugangsbeschränkungen einzuführen, wesentlich erleichtert. Ein freier Zugang zum Grundstudium wird zwar noch zugestanden und damit der freie Hochschulzugang formal aufrecht erhalten, Master- und PhD-Studien aber sind nun durchaus ins Blickfeld derer geraten, die bereits länger davon träumen, ebendiesen freien Hochschulzugang abzuschaffen.

Warum die Bologna-Reformen sich in Österreich so ausgewirkt haben, lässt sich nur dann nachvollziehen, wenn frau/man den gesellschaftlichen und politischen Hintergrund, vor dem die Umstellung passiert ist, etwas näher erläutert.

 

„Geld für Bildung statt für Banken“

 

Im Kontext der letzten Finanzkrise und den daraus resultierenden Rettungen von Großbanken durch diverse Staaten und die diversen internationalen Gemeinschaften war es nur naheliegend, dass sich die Wut der DemonstrantInnen auf die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem, was die öffentliche Hand für die VerursacherInnen der Krise aufwendet, und dem, was sie für Bildung ausgibt, konzentrierte. Zahlreiche Lippenbekenntnisse der PolitikerInnen, die zumeist darauf abzielten, dass die Ausgaben für Bildung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen sollten, und wiederholte Bekräftigungen, dass der freie Hochschulzugang auch tatsächlich frei und zudem qualitativ höchstklassig bleiben sollte, brachten zwar eine Beruhigung der Gemüter, aber keine tatsächliche Ausfinanzierung der Universitäten. Das dicke Ende kam erst mit der Ankündigung des Finanzministers Josef Pröll im Frühjahr 2010, dass die Universtätenbudgets bis auf weiteres eingefroren würden. Das kommt einer Senkung gleich, wenn frau/man Inflation und (hoffentlich) steigende StudentInnenzahlen bedenkt. Die Krone wurde dem Ganzen dann von der Wissenschaftsministerin Beatrix Karl aufgesetzt, die verkündete, dass am Zwei-Prozent-Ziel zwar festgehalten würde, die fehlenden 0,7 Prozent aber gefälligst von privaten Stellen aufzutreiben seien und, dass Studiengebühren über kurz oder lang wieder notwendig werden würden. Die Ursache für diese nicht nachvollziehbare Politik – Österreich befindet sich bei sämtlichen internationalen Vergleichen, die Hochschulen betreffen, im abgeschlagenen Bereich – liegt nicht zuletzt darin, dass Bildung international als Dienstleistung gesehen wird, und sie deswegen wie jede andere Dienstleistung erstens kostenpflichtig und zweitens effizient nach marktwirtschaftlichen Kriterien organisiert sein muss. Einer der entscheidensten Schritte in diese Richtung war das „Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen“ (GATS) der WTO (Welthandelsorganisation), das 1995 in Kraft trat. Darin wird Bildung als Dienstleistung definiert und das Ziel ausgegeben, diese fortschreitend zu liberalisieren. Vor diesem Hintergrund muss auch der Bologna-Prozess gesehen werden und damit verbundene Schlagworte wie die bereits vorher genannten (Mobilität, internationale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit), ordnen sich wunderbar in die internationale Stoßrichtung ein. Mit dem Universitätsgesetz 2002 (UG 02) wurde dieser Vorlage auch in Österreich Genüge getan und die Universitäten in die Autonomie entlassen. Entlassen bedeutet in diesem Kontext, dass die Hochschulen zu vollrechtsfähigen, finanziell autonomen und hierarchischen Gebilden gemacht wurden, die in Aufbau und Struktur frappant an Unternehmen erinnern. Als Beispiel seien hier nur die Universitätsräte genannt; verkürzt gesagt: Aufsichtsräte für Universitäten. Eine Konsequenz dieser Autonomie war, neben der Einführung von Studiengebühren, dass sich die Politik jeder Verantwortung für die finanzielle Situation entledigte. Die Hochschulen werden zwar weiterhin staatlich finanziert, das Ministerium kann aber ruhigen Gewissens darauf verweisen, dass die Verantwortung einzig und allein bei den RektorInnen, also bei den ManagerInnen, liegt. Die Gesellschaft neigt anscheinend dazu, das zu glauben. Jenseits von wirtschaftlichen Auswirkungen ist allerdings noch ein weiterer Aspekt dieser letzten Hochschulreform von Bedeutung. Die in den 70ern eingeführte universitäre Mitbestimmung wurde kurzerhand großteils abgeschafft. Eine nur folgerichtige Verfahrensweise, wenn frau/man bedenkt, dass ein/e RektorIn als ManagerIn nur dann funktioniert, wenn ihm/ihr eine straff organisierte Struktur untersteht.

 

„Wessen Uni? Unsere Uni?“

 

Eine straff organisierte Struktur verträgt selbstverständlich keine StudentInnen, die mitbestimmen. Eigentlich verträgt sie gar keine Mitbestimmung. Die Denkweise der GesetzgeberInnen dürfte anhand dieser Sätze relativ gut beschrieben sein, denn zusätzlich zu den StudentInnen wurden fast alle an der Universität vertretenen Gruppen ausgeschlossen – abgesehen vielleicht von den ordentlichen ProfessorInnen, denen komfortable Mehrheiten in sämtlichen beschlussfähigen Gremien zugestanden wurden. Das Problem dabei (für die ProfessorInnen natürlich) ist allerdings, dass auch sämtliche Beschlüsse dieser Gremien, also alles, was mit Studienrecht, Studienorganisation und ProfessorInnen-Berufungen zusammenhängt, wiederum von der Zustimmung des Rektorats abhängen. Die Konsequenz daraus ist, dass selbst die verbliebenen Mitbestimmungsorgane, wie etwa Senat oder Berufungskommissionen, voll und ganz unter der Kontrolle des Rektorats stehen. Die Suche nach Präzedenzfällen für eine derartig durchorganisierte und absolutistische Universitätsstruktur gestaltet sich schwierig, wer sich die Mühe machen will, kann sich gerne mit dem Schlagwort „Führeruniversität“ auseinandersetzten.

Jedenfalls bietet die momentane Universität weder genügend Möglichkeiten für StudentInnen effektive Mitbestimmung auszuüben, die über den Grad eines gnädigen Dialogs hinausgeht, noch zeigen sich diejenigen, die an der universitären Macht sind bereit, den Gesetztestext auf eine Art und Weise auszulegen, die Mitsprache für alle Gruppen (also StudentInnen, akademischer Mittelbau, ordentliche ProfessorInnen und nicht lehrendes Personal) zulässt. Um mit einem Beispiel zu enden: Das Rektorat verlässt sich bei der Evaluierung von Studienplänen lieber auf externe GutachterInnen als auf jene, die tagtäglich mit ihnen zu tun haben. Deren Aufgabe ist dann auch meistens nicht die Verbesserung der Studienpläne, sondern das Aufzeigen von Möglichkeiten um noch effizienter und noch kostengünstiger agieren zu können.

 

Leider ist es auf dem begrenzten Raum, den ein kurzer Artikel bietet, nicht möglich alle Aspekte erschöpfend zu behandeln. Verkompliziert wird die Lage auch dadurch, dass viel zu oft eine Durchmischung von Interessen, AkteurInnen und nicht zuletzt der Widerstände dagegen vorliegt. Die Raumfrage illustriert die komplexe Situation, die einfache Antworten unmöglich macht: An der Universität Wien herrscht ein Raummangel, der jeder Beschreibung spottet. Es fehlen Büros für Lehrende, Lernräume für StudentInnen, selbstbestimmte Aufenthaltsräume, und vieles mehr. Nichtsdestotrotz weigert sich die Universitätsleitung, die ja, siehe UG 02, die alleinige Verantwortung für die Räumlichkeiten trägt, für Lösungen zu sorgen. Allerdings ist es anscheinend kein Problem, Raum für diverse Gaststätten, Dienstleistungseinrichtungen und ganz allgemein bezahlende KundInnen aufzutreiben. (siehe zB.: Hof 1 des Campus, AAKH) Wie im Bilderbuch lassen sich hier Probleme aufzeigen, die die Liberalisierung und die Entdemokratisierung der Hochschulen mit sich bringen.

 

Wie der ehemalige Kanzler Fred Sinowatz zu sagen pflegte: „Es ist alles sehr kompliziert“. Trotzdem hat dieser Artikel hoffentlich wenigstens etwas Licht ins Dunkel der allgemeinen Sauerei, die sich Hochschulsektor nennt, gebracht.

 

(zugangs)beschränkte Bildung

Veröffentlicht: Oktober 15, 2010 von oehbv in Hintergrundinfos

Zur Regelung einer (zugangs)beschränkten Zukunft

 

Die Studierendenproteste vom Herbst 2009 bis in den Frühling 2010 haben vor allem eines erreicht: Sie stellten die notwendige Öffentlichkeit für eine Debatte zum Thema Bildungspolitik und universitärer Zukunft her. Den Studierenden wurde in diesem Zusammenhang seit langem wieder Gehör geschenkt, auch wenn in Medien und Öffentlichkeit nahezu ausschließlich der Unmut der Studierenden bezüglich der sich verschlechternden Studienbedingungen rezipiert wurde.

 

Dieser Umstand wurde in den letzten Monaten, im Gegensatz zu den ursprünglichen Interessen von StudentInnen und vielen Lehrenden, vor allem dazu genutzt, den freien Hochschulzugang ein weiteres Mal in Frage zu stellen. Konkret stellten die österreichischen Publizistikinstitute im Rahmen des Notfallparagraphen 124b Anträge auf quantitative Zugangsbeschränkungen beim Wissenschaftsministerium. Außerdem fühlten sich auch die Wirtschaftsuniversität Wien und die Architektur-Institute berufen solche Anträge einzureichen. Nachdem von mehreren Seiten beeinsprucht wurde, dass nicht in jeder Studienrichtung mit dem scheinbaren Ansturm von deutschen StudentInnen zu argumentieren sei, wurden Rufe seitens der Rektoren und der Wissenschaftsministerin Beatrix Karl laut, es müsse eine allgemein anwendbare Regelung geschaffen werden; die Studienbedingungen an den Universitäten und das daraus resultierende Betreuungsverhältnis würden dies erfordern.

 

Eine neue Dimension erreichte die Debatte Mitte Mai 2010, als sich im Rahmen der sich zuspitzenden Finanzkrise im Euroraum erneute Sparmaßnahmen abzeichneten. Es wurde klar gemacht, dass die Budgets der Universitäten in den kommenden Jahren nicht erhöht werden könnten; und dass sich die Lage auch ab 2013 nicht wesentlich verändern werde. Zum einen steht dies im Widerspruch zum noch im Raum stehenden Lippenbekenntnis zu einer Erhöhung der Bildungsausgaben auf ein international vergleichbares Niveau von zwei Prozent des BIP. Zum anderen verstärkt es den Eindruck der letzten Jahre, dass die Bildungspolitik wie sie hierzulande betrieben wird, zukunftsfeindlicher nicht sein könnte.

 

Vor dem Hintergrund einer sich noch massiv verschärfenden Budgetsituation und kaum mehr zumutbaren Studienbedingungen in „überlaufenen Studienrichtungen“ sollen also Zugangsbeschränkungen das adäquate Heilmittel darstellen und für höhere AbsolventInnenquoten, die sogar das Wissenschaftsministerium fordert, sorgen. Die einen sehen hier in der dreigliedrigen Bolognastruktur eine Chance, den Widerspruch zwischen Massen- und Exzellenzuniversität aufzulösen und neben einem frei zugänglichen, berufsbildenden Bachelorstudium die Master- und PhD-Programme sowohl mit Studiengebühren, als auch mit qualitativen Zugangsbeschränkungen zu versehen. Wieder andere wollen die rechtlichen Voraussetzungen für quantitative und qualitative Zugangsbeschränkungen auch für die Bachelor-Studiengänge schaffen, um den Unis und Studienrichtungen die Möglichkeit zum Eingreifen zu geben, sofern dies in ihren Fächern notwendig würde. Bei all diesen Diskussionen wird allerdings mit Vorliebe auf die Beachtung der weitreichenden Begleiterscheinungen und Problematiken von solchen Beschränkungen vergessen: Niemand spricht über die Probleme von sogenannten „Eignungs-“ oder „Eingangstests“, die bei genauerer Betrachtung kaum dazu geeignet scheinen, festzustellen, wer für ein Studium zugelassen werden soll, und wer nicht. Die Erfahrungen an den medizinischen Universitäten weisen beispielsweise darauf hin, dass die Vorbereitung in sehr kostspieligen Vorbereitungskursen die Chancen erheblich zu steigern scheinen, während von allen Richtungen ohnehin mit gewohnter Manier ausgeblendet wird, dass Zugangsbeschränkungen egal welcher Art massiv zur Benachteiligung von Frauen beitragen. Ganz abgesehen davon, dass der Gedanke einer generellen Senkung von Studierendenzahlen in Österreich im Rahmen von internationalen Vergleichswerten ebenfalls absurd scheint. Nichts desto trotz liegen in den entsprechenden Schubladen schon die ersten Entwürfe zu verschärften Studieneingangsphasen und weiteren Zugangsbeschränkungen, während sich in der Regierungskoalition die Möglichkeit eines Tauschhandels abzeichnet: Eine neue Chance für ein mögliches Gesamtschulmodell im Austausch für Zulassungsbeschränkungen und Studiengebühren.

 

Was die österreichischen Universitäten in den kommenden Jahren wohl am dringendsten brauchen werden sind Geld, Planungssicherheit und Gestaltungsmöglichkeiten. Die aktuellen Probleme werden sich weder durch Zugangsbeschränkungen, noch durch frühe Ankündigungen von bevorstehenden Einsparungen lösen lassen. Das „Problem“ des freien Hochschulzugangs wird eine politische Lösung erfordern, und der einzig sinnvolle Weg scheint ein politischer Paradigmenwechsel zu sein. Dass budgetäre Mittel beschränkt sind ist klar. Was nicht so klar ist, bzw. scheint, sind die Prioritäten nach denen Gelder vergeben werden. Eine Politik, die sich nicht nur über leere Bekenntnisse der Zukunft dieser Gesellschaft verpflichtet, wird nicht umhin kommen, klare finanzielle Akzente im gesamten Bildungsbereich zu setzen. Dass Schlagwörter wie „Kostenneutralität“, „budgetäre Verantwortung“ sowie „Co-Finanzierung aus der Privatwirtschaft“ die Diskussion bestimmen, verdeutlicht nur zu gut, wie sehr die österreichische Politik durch neoliberalen Mainstream und populistische Klientelpolitik geprägt und gehemmt ist.

 

Darüber hinaus muss klar sein, dass Geld alleine nicht ausreichen wird um ein Hochschulsystem zu gestalten, das breiten Bevölkerungsschichten Zugang gestattet, um Chancengleichheit bemüht ist und sich im viel bedienten internationalen Kontext profiliert. Ein breiter Zugang zu (universitärer) Bildung, eine gleiche Repräsentanz der Geschlechter und demokratische Mitbestimmung sind weitere Aufgaben, die Politik und Gesellschaft noch zu lösen haben.

Studiengebühren!?

Veröffentlicht: Oktober 15, 2010 von oehbv in Hintergrundinfos

Studiengebühren – zur Fortsetzung des Wahnsinns

Im Jahr 2001 führte die schwarz-blaue Regierung nach 28 Jahren „freiem“ Hochschulzugang Studiengebühren in der Höhe von 5000 Schilling (363,36 €) pro Semester ein. 7 Jahre später, im Jahr 2008, wurden diese in einem Nationalrats-Beschluss mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und FPÖ „abgeschafft“. Tatsächlich kam es jedoch nicht zur Abschaffung der Gebühren, es wurde nur – wie vom damaligen Wissenschaftsminister Hahn treffend bezeichnet – die „Zahl der Ausnahmen ausgeweitet“. Seit dem Sommersemester 2009 gilt nun diese neue Regelung.

Wer muss eigentlich Studiengebühren zahlen?

  1. Nur ordentliche Studierende müssen (anfangs) keine Studiengebühren zahlen. Außerordentliche Studierende zahlen in jedem Fall.
  2. Weiters gilt die Regelung nur für Studierende mit österreichischer oder EU/EWR-StaatsbürgerInnenschaft, bzw. Gleichgestellte (zb. Konventionsflüchtlinge). Alle anderen „Drittstaat“-Angehörigen müssen Studiengebühren entrichten.
  3. Um von den Studiengebühren befreit zu sein, darf eine gewisse Studienzeit nicht überschritten werden. Diese besteht aus Mindeststudienzeit plus 2 Toleranzsemester. (bei Diplomstudien pro Abschnitt, bei Bachelor-, Master- und PhD-Studien für das ganze Studium)

! Ist eine Person für mehrere Studienrichtungen inskribiert, wird der Betrag fällig, sobald die Zeit in einer dieser Studien fällig wird. Es gibt keine Unterscheidung in Haupt- und Nebenstudium.

  1. Wenn die gebührenfreie Studienzeit überschritten wurde, ist der Erlass der Gebühren unter Umständen möglich. Gründe dafür sind:
      • Krankheit
      • Schwangerschaft
      • Betreuung von Kindern
      • Präsenz-/Zivildienst
      • Behinderung von über 50%
      • Erwerbstätigkeit über Geringfügigkeit
      • Betreiben von zwei oder mehreren Studien (bei Absolvierung von min. 15 ECTS-Punkte pro Studium im Semester)

Falls eines der Kriterien zutrifft, kann beim Referat für Studienzulassung ein Antrag auf Erlass gestellt werden. Weitere Infos dazu findest du unter:

Die Rückerstattung der Studiengebühren wenn du mehrere Studienrichtungen studierst (und genügend Leistung erbringst) erfolgt durch das BMWF (Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung). Mehr Infos dazu unter:

! Du musst jedes Semester auf jeden Fall den ÖH-Beitrag + Versicherung (momentan 16 € + 0,50 €) und – falls du beitragspflichtig bist – die Studiengebühren einzahlen. Die allgemeine Frist hierfür ist jeweils der 15.Oktober (Wintersemester) bzw. der 15.März (Sommersemester). Die Nachfrist geht bis zum 30.November (Wintersemester) bzw. bis zum 30.April (Sommersemester.), dabei erhöhen sich die Studiengebühren um 10%. Den vorgeschriebenen Beitrag findest du unter: http://univis.univie.ac.at. Du kannst entweder per online-banking, Zahlschein oder beim Referat für Zulassung direkt mit Bankomat bezahlen. Im Rahmen dieses automationsunterstützten Verfahrens kann es zu Fehlern kommen, kontrolliere also auf jeden Fall den Betrag!

Es ist wichtig, nicht darauf zu vergessen, da du sonst exmatrikuliert werden kannst!

Was ist das Problem? Eine Kritik.

Die Studiengebühren-Regelung ist mit einem kostenintensiven, bürokratischen Aufwand verbunden. Die einzelnen Universitäten sind z.B. dafür zuständig, die Gebührenpflicht der Studierenden festzustellen und die Anträge auf Erlass zu bearbeiten. Auch für Studierende entsteht ein Mehraufwand, jedes Semester ihren „Beitragsstatus“ zu überprüfen und fallweise einen Antrag auf Erlass zu stellen.

Der Ausschluss außerordentlicher Studierender sowie „Drittstaat“-Angehöriger aus der Studiengebühren-Regelung ist diskriminierend. Außerordentliche StudentInnen sind beispielsweise solche, die gerade die Studienberechtigungsprüfung absolvieren und kommen daher eher aus sozial benachteiligten Schichten. Anstatt von ihnen Studiengebühren zu verlangen, sollten diese Studierenden extra gefördert werden. Studiengebühren für Personen mit „falscher“ Staatsangehörigkeit sind ausschließend und teilen Menschen in das konstruierte Schema von Nationalität ein.

Die Nichtunterscheidung in Haupt- und Nebenstudium bei der Feststellung der Gebührenpflicht erschwert Interdisziplinarität. Anstatt wissenschaftliche Auseinandersetzung mit mehreren Disziplinen zu fördern, wird eine möglichst schnelle, leistungsorientierte Absolvierung des Studiums gewünscht.

Abgesehen von diesen konkreten Kritikpunkten ist festzuhalten, das jegliche Art von Studiengebühren ein Instrument sozialer Selektion sind und daher bedingungslos abgeschafft gehören!

Der Anteil der Studiengebühren an den Gesamtkosten eines Studiums ist vergleichsweise gering. Aber nicht alle Menschen, die studieren wollen, können sich diesen Betrag leisten. Für den Staat wäre es leicht möglich, den Universitäten die Einnahmen aus den Studiengebühren zu ersetzen. Es ist nicht finanzielle Knappheit, sondern eine politische Entscheidung, dies nicht zu tun. (vgl. Erbschaftssteuer: Diese Steuer hat in etwa soviel eingebracht wie die Studiengebühren und wurde abgeschafft.)

Studiengebühren sind natürlich nicht die einzige Hürde zum Studium. Soziale Selektion beginnt in der Schule und die Möglichkeit zu studieren ist maßgeblich von den finanziellen Möglichkeiten (der Eltern) abhängig.

Die Abschaffung der Studiengebühren bedeutet daher nicht automatisch einen freien Hochschulzugang. Es wäre aber ein wichtiger, auch symbolischer, Schritt dorthin.